Heimat ja, Wohnung nein danke

Heimat Wohnung Reisen

Manche Veränderungen sind so groß, dass sie sich unmöglich planen lassen. Diejenige, fortan ohne Wohnung zu leben, war für mich eine davon. Von heute auf morgen zog ich aus meiner letzten Wohnung aus und nirgends mehr so richtig ein. Eine Heimat habe ich trotzdem.

Erst einmal kam ich bei meiner Schwester unter, dann ging es los für einige Monate nach Thailand. Meine Sachen sind verkauft / im Dachgeschoss meiner Eltern / in meinem Rucksack. Jetzt ist die häufigste Frage, wenn ich von meiner Wohnungslosigkeit erzähle: „Fehlt dir denn nicht ein richtiges Zuhause?“

Wir Menschen haben das Bedürfnis, uns irgendwo zu Hause oder angekommen zu fühlen. Wir wollen einen Raum, der uns gehört und an dem wir unsere Sachen abstellen können. Das ist nur logisch, denn ohne einen Schutzraum wären wir ganz schön aufgeschmissen. Da ist zum einen die Gefahr, dass jemand uns überfällt und unsere Sachen stiehlt, zum anderen wird es draußen auf Dauer ungemütlich. Ich habe diesen Wunsch nach Schutz auch. Ich finde aber nicht, dass nur eine dauerhafte Bleibe mir diesen Schutz geben kann.

Vermeintliche Sicherheit in Form eines Mietvertrags

Die meisten Menschen wünschen sich ein und denselben Schutzraum für längere Zeit oder sogar für immer. Ich habe eine Freundin, die in den ersten Nächten in einer neuen Bleibe (im Urlaub etwa) nicht schlafen kann, da sie sich erst einmal eingewöhnen muss. So sind viele. Ich habe das Glück, dass ich mich immer rasend schnell zu Hause fühle. Ankommen, Sachen auspacken, zack! hab ich ein Daheim-Gefühl – vorausgesetzt, die Wohnung gefällt mir.

Ich bin in einem Dorf in Süddeutschland aufgewachsen. Das Motto „Schaffe, schaffe, Häusle baue“ wird dort tatsächlich voll ausgelebt. Ob auf Klassentreffen oder bei zufälligen Begegnungen auf der Straße: Jeder erzählt dir von seinem Haus und seinem Garten. Ich freue mich, wenn sich jemand damit seinen wahren Traum erfüllt hat. Trotzdem bin ich froh, dass immer mehr Menschen erkennen, dass Statussymbole wie Häuser, Autos und Fernseher in Wahrheit nichts über sie aussagen.

Ein Haus auf Kosten der Freiheit

Wenn man sich von dem Gedanken löst, dass ein Zuhause immer mit Besitz einhergeht, wird man offener für andere Lebensformen. Tatsächlich bin ich sogar der Meinung, dass viele Menschen unglücklich sind, gerade weil sie sich ein Haus mit allem Drum und Dran gebaut haben. Man macht sich abhängig, verliert jede Menge Freiheiten und hat es schwerer, sein Leben zu ändern, wenn man genau diese Lebensform irgendwann nicht mehr will.

Das Gefühl von Heimat entsteht nicht, nur weil wir uns ein Haus bauen. Es entsteht im Inneren – wie, das ist bei jedem anders. Die starke Verbundenheit mit einem Ort kann durch Erlebnisse oder Menschen entstehen. Oft ist es der Ort, an dem wir aufgewachsen sind. Ich möchte diesem Wort nicht weiter auf den Grund gehen, denn jeder definiert Heimat unterschiedlich. Fest steht jedoch, dass es sich dabei mehr um ein Gefühl als um einen physischen Ort handelt.

Darum ist es wichtig zu wissen, was dieses Gefühl bewirkt. Sind es Menschen wie die Familie oder Freund*innen? Sind es bestimmte Geräusche oder Gerüche? Oder irgendwelche Aktivitäten, die an Heimat erinnern?

Familie als Heimat

Für mich ist es ganz klar meine Familie. Ich kann am anderen Ende der Welt sitzen – wenn ich mit meiner Familie skype oder facetime, kommt sofort ein Heimatgefühl auf. Dafür muss ich gar nicht unbedingt neben ihnen auf dem Sofa sitzen. Mit ihnen zu sprechen, ihre Mimik und ihr Lachen zu sehen, genügt schon. Während ich das schreibe und darüber nachdenke, wird mir bewusst, was Heimat für mich ist: Zusammengehörigkeit.

Diese Form der Heimat ist besonders praktisch, denn ich kann sie überallhin mitnehmen. Fühle ich mich einsam, rufe ich zu Hause an, und schon geht’s mir besser.

Eigene vier Wände brauche ich dafür nicht. Mit der Gewissheit, eine Home Base bei meiner Schwester zu haben, genieße ich es, ansonsten ungebunden zu sein. Die Zeit für eine eigene Wohnung wird wiederkommen. Bis dahin versuche ich, so viele Orte der Welt wie möglich kennenzulernen. Vielleicht hast du bei Instagram schon gesehen, dass ich für zweieinhalb Monate auf Teneriffa war, während ich diesen Beitrag schrieb.

Daheim auf Teneriffa

Für diese wunderschöne Insel habe ich mich entschieden, weil sich hier viele digitale Nomad*innen tummeln. Gemeinsam haben die meisten, dass sie genau wie ich ortsunabhängig arbeiten und darum leben können, wo es ihnen gefällt. Für mich ist es wichtig, regelmäßig aus meinem Freundeskreis der „alten“ Freund*innen der Schul- und Unizeit auszubrechen und mich mit anderen rastlosen Menschen auszutauschen. 

Sie verstehen meine Reiselust, mein Bedürfnis nach Ungebundenheit und meine Freiheitsliebe und haben ihr Leben ebenfalls danach ausgerichtet – auch in Bezug auf die Arbeit. Einige meiner alten Freund*innen verstehen das natürlich genauso, aber der Austausch ist trotzdem ein anderer, wenn das Gegenüber ähnlich lebt.

Hier gibt es Coworking Spaces und Cafés mit gutem WLAN. Manche arbeiten sogar am Strand. Mir genügt meistens meine Wohnung, denn ich bin während der Arbeit gern allein mit meiner Kaffeemaschine. Und so saß ich dort ein paar Wochen lang bei angenehmen 26 Grad im siebten Stock und blickte aufs Meer. Für mich perfekt!

Was ist mit dir – welche Wohnform ist für dich die optimale und warum? Schreib mir gern eine Nachricht.

Annette Nenner

Annette Nenner

Mein Herz schlägt für das geschriebene Wort, das Unterwegssein und Tiere jeder Art. Mit meiner Arbeit möchte ich die Welt verbessern und das Internet um richtig gute Texte bereichern.

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